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„Afghanistan : Bilanz ziehen"

 

Leicht gekürzte Übersetzung aus der Wochenzeitschrift „Ogonjok“, Moskva, No. 12, 1989; S. 6ff.

 

 

Interview mit Armeegeneral Valentin I. Varennikov[1], ehemaliger Leiter der Operativen Gruppe des Ministeriums für Verteidigung der UdSSR beim Kommando der sowjetischen Truppen in Afghanistan, später stellvertretender Minister für Verteidigung und Oberkommandierender der Landstreitkräfte der UdSSR. Das Gespräch mit V. I. Varennikov führte Artjom Borovik, Autor des Buches „Land der blutenden Sonne : mit der Roten Armee in Afghanistan“ [rororo-Sachbuch 9173, Reinbek bei Hamburg, 1992] noch in Kabul, unmittelbar vor dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Afghanistan.

 

 

 

BOROVIK: Valentin Ivanovitsch, lange Zeit arbeiteten sie im Generalstab, dabei gleichzeitig als erster Stellvertreter des Generalstabschefs und als Leiter einer der Hauptabteilungen, die berechtigterweise als Gehirn des Generalstabs bezeichnet wird. Niemand in der gesamten Geschichte der sowjetischen Streitkräfte befehligte die wichtigste Abteilung des GS so lange wie sie. Vor kurzem wurden sie zum stellvertretenden Minister für Verteidigung, dem Oberkommandierenden der Landstreitkräfte des Landes ernannt. Kenner in Militärangelegenheiten bewerten ihre Arbeit im Generalstab mit den besten Noten.

Es ist bekannt, daß am Vorabend des Einmarsches unserer Truppen in Afghanistan der Generalstab gegen die Annahme eines solchen Beschlusses auftrat. Es ist auch bekannt, daß die Warnungen des Generalstabes bei den damaligen politischen Führern und auch beim ehemaligen Verteidigungsminister D. F. Ustinov nicht auf Gehör stießen ...

 

VARENNIKOV: In der Tat, der Generalstab trat gegen die Idee eines Einmarsches unserer Truppen in Afghanistan auf, solange sie noch nicht die Form eines Beschlusses angenommen hatte. Unter anderem äußerten sich Nikolaj Vasiljevitsch Ogarkov[2], Sergej Fjodorovitsch Achromejev[3] und einige andere Genossen negativ über einen solchen Schritt.

Dazu möchte ich auch gleich meinen eigenen Standpunkt deutlich machen: es ist unmöglich, die Frage des Einmarsches unserer Truppen in Afghanistan 1979 nur aus der Sicht des Jahres 1989 zu betrachten, als die Perestroika in unserem Lande, an Tempo gewinnend, neue außenpolitische Ansätze und auch das Neue Denken hervorbrachte, als großangelegte Friedensinitiativen unseres Staates, verkündet vom Genossen Gorbatschov, die internationalen Beziehungen grundlegend veränderten, einschließlich natürlich auch der Beziehungen zwischen der UdSSR und den USA. Vor zehn Jahren war, wie wir uns erinnern, die Lage der Welt eine völlig andere: in der Außenpolitik, der Diplomatie der beiden Supermächte dominierten Mißtrauen, Argwohn. Zum Ende der 70er Jahre hatte die Konfrontation einen gefährlichen Charakter angenommen und wirkte aktiv auf den Prozeß der politischen Entscheidungsfindung sowohl in Washington, als auch in Moskau. Das sollten wir heute nicht vergessen.

Doch unter den Bedingungen des damals gefaßten Beschlusses über den Einmarsch sowjetischer Abteilungen nach Afghanistan war das Hauptziel unserer militärischen Präsenz eindeutig definiert: die Stabilisierung der Lage. Deshalb schlug der Generalstab eine solche  Alternativvariante vor: die sowjetischen Truppen sollten nur in Garnisonen stehen und sich nicht in Kampfhandlungen einmischen. Entsprechend dem ursprünglichen Plan sollten sie der lokalen Bevölkerung bei der Verteidigung gegen die Banden helfen, ihnen Hilfe mit Lebensmitteln und allen Grundbedarfsgütern erweisen. Von uns wurde auch keine Forcierung der quantitativen Erweiterung der sowjetischen Militärpräsenz vorgeschlagen. Wegen einer ganzen Reihe von Gründen jedoch wurden unsere Truppen mehr und mehr in die Kampfhandlungen hineingezogen. Im Ergebnis wurde Kurs auf eine Verstärkung und Vergrößerung des sowjetischen Militärkontingents genommen. Heute ist klar, daß die Linie, wie sie damals vom Generalstab vorgeschlagen wurde, im Prinzip richtig war. Doch wir hätten sie bis zur letzten Konsequenz verteidigen müssen, auch wenn dies für die Vertreter dieser Linie schwerwiegende Folgen in sich barg.

 

Warum also hat der Minister für Verteidigung, der, nebenbei bemerkt, keine spezielle militärische Ausbildung besaß, den Ratschlägen der Leiter des Generalstabes trotz allem keine Aufmerksamkeit geschenkt?

 

Ich denke, man darf heute nicht allein Dmitrij Fjodorovitsch [Ustinov] schuldig sprechen. Er befand sich 1976 nur nicht auf seinem [gemeint ist: dem richtigen] Platz[4].

 

Welchen Gang der Ereignisse könnte man heute für den Fall annehmen, daß unsere Armee vor neun Jahren in Garnisonen geblieben wäre?

 

Heute Mutmaßungen anzustellen ist nicht sinnvoll, jedoch kann man mit einer gewissen Überzeugung sagen, daß es möglich gewesen wäre, viele Menschenopfer, die allen am Konflikt beteiligten Seiten zugefügt wurden, zu vermeiden. Die sowjetischen Garnisonen hätten unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrung, meiner Auffassung nach, zuverlässige Kontakte zu der lokalen dörflichen und städtischen Bevölkerung aufnehmen können. Einen genau solchen Zustand haben wir trotz allem (gegen viele Widrigkeiten), ungeachtet des im Lande tobenden Krieges in einer ganzen Reihe von Gebieten Afghanistans erreicht. Ich selbst mußte mehrfach in verschiedene Bezirke fliegen, um Verhandlungen mit Kommandanten bewaffneter Oppositionsgruppen und ihren Vertretern zu führen.

 

Diesen hätte es doch nichts ausgemacht, den sowjetischen General aus nächster Nähe zu erschießen  ...

 

Allerdings ist dies nicht geschehen, und dies ist ein weiterer Beweis zugunsten der ‘Garnisonsvariante’, wie sie der Generalstab vorgeschlagen hatte. Es gelang uns trotzdem, in dieser Richtung einiges zu erreichen. Unsere Truppenteile haben in einer Reihe von Orten gute ‘Wurzeln geschlagen’, verhinderten die Entstehung von Konflikten zwischen Vertretern der Staatsmacht und der Opposition. Feste friedliche Kontakte hätten überall unsere ‘Waffe’ sein können und nicht Kampfhandlungen.

Bedauerlicherweise haben wir uns seinerzeit dem Druck von Seiten Babrak Karmals ausgesetzt und es zugelassen, uns in den sich hinziehenden Krieg hineinziehen zu lassen.

 

Mußten sie sich mit diesem Mann treffen?

 

Ja, mehrfach. Er hörte sich die Vorschläge stets aufmerksam an, die wir ihm unterbreiteten. Er notierte viel und oft sagte er zum Ende eines Gesprächs: ‘Und so schauen sie, und denken sie sicher, da schreibt und schreibt dieser Karmal, aber dennoch wird er so oder so nichts tun...’. Und so ist in der Tat auch wirklich gewesen. Karmal hatte das Vertrauen sowohl von der Seite seiner Kampfgenossen, als auch von der des Volkes sowie von der Seite unserer Berater nicht verdient. Er war ein Demagoge höchsten Ranges und ein sehr geschickter Fraktionist. Er vermochte es meisterlich, sich hinter revolutionären Phrasen zu verbergen. Dieses ‘Talent’ half ihm, um sich die Aura des Führers zu schaffen. Jedes Mal, nach einem regelmäßigen Fehler, versprach er: ‘Genossen, jetzt ist mir alles klar! Weitere Fehler wird es nicht geben!’ Jedes Mal glaubte man ihm und wartete. In dieser Zeit fügte er der Partei Schaden zu, mit dem Volk arbeitete er nicht, ja vermochte er nicht zu arbeiten und hielt es auch nicht für nötig, es zu tun. Er kämpfte faktisch nicht für das Volk - das ist eindeutig. Im Staats- und Parteiapparat baute er ein bürokratisches System auf, das noch bis heute von sich Reden macht. Vor allem hier blieben und bleiben viele gute Beschlüsse der Partei und der Regierung hängen. Leider haben sich viele umsonst auf Karmal verlassen, gingen an seiner Leine. Aber bereits 1981 - 1982 war sichtbar, daß ihnen schwerwiegende Fehler unterlaufen - besonders in der Wirtschaftspolitik (bei der Durchführung der Land- und der Wasserreform), widernatürliches Verhalten in der gesellschaftlichen Sphäre, in erster Linie im Verhältnis zur Religion. Damals bekannten sie sich zwar in Worten dazu, doch in der Praxis berücksichtigten sie nicht die Traditionen und umfangreichen Relikte der Stammesgesellschaft, die Herrschaft der muslimischen Religion. Es wurden Losungen, die zu radikalen sozialistischen Umgestaltungen aufriefen, verkündet, obwohl es dafür keinerlei Grundlagen gab. Es muß nichtsdestoweniger berücksichtigt werden, daß derartige Schritte nicht aus ‘bösem Willen’ unternommen wurden, sondern einfach nur aufgrund von Inkompetenz und Unvermögen.

Ein solches ‘Nach-vorn-Preschen’ endete mit dem Ergebnis, daß alle diese Aktivitäten und Initiativen aus Kabul das Volk von der Revolution abstießen und der Islam, anstatt eine Stütze der Partei im Kampf um die Massen zu werden, der Opposition in die Hände gegeben wurde, die sich seiner klug bediente. Es ist nicht verwunderlich, daß sich viele Mullahs im Lager der Opposition befanden. Teilweise ergab es sich dann so, daß namentlich religiöse Männer des öffentlichen Lebens noch bis heute bewaffnete Abteilungen der Unversöhnlichen anführen. Und in solchen Regionen wie, sagen wir, Kandahar wurde es zur Regel (ich denke da an Mullahs wie Nakib, Nasim, Malang, Fazanay und andere).

Karmal fuhr damals fort, den Ast abzusägen, auf dem er saß. Schritt für Schritt kompromittierte er die DVPA. Einige unserer Berater, in deren Verantwortung die Unterstützung des Führungskernes der DVPA sowie auch die rechtzeitige Feststellung und Beseitigung gefährlicher Schwächen[5] fielen, nahmen dazu keine prinzipienfeste Position unter Berücksichtigung der realen Bedingungen und der Situation ein. Vielen unserer Genossen mangelte es in katastrophalem Maße an orientalistischem Wissen. Der Dogmatismus der Periode der Stagnation[6] mußte sich in ihrem Denken und ihrer Tätigkeit unvermeidbar widerspiegeln[7].

Jetzt bemüht sich die afghanische Führung mit Nadshibullah an der Spitze, mit allen Kräften darum, die zugelassenen Fehler zu korrigieren. Es gelang, viele negative Prozesse aufzuhalten. Doch bis heute gibt es genug Saboteure und Schädlinge, die parallel im Staatsapparat und zugunsten der Opposition arbeiten. Es ist wichtig, daß die Partei unter den entstandenen Bedingungen, während der derzeitigen schroffen Wendung der Geschichte - ich meine den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan - Einheit und Geschlossenheit bewahrt. Jede Spaltung kann sich die Opposition zunutze machen.

 

Wie groß ist die Anzahl der Streitkräfte Afghanistans heute?

 

Die Gesamtzahl beträgt ungefähr dreihunderttausend bewaffnete und ausgebildete Kämpfer. Der Kommandostab hat Erfahrung in der Organisierung und Führung von Kampfhandlungen. Wir haben den Afghanen sehr viel moderne Technik und Waffen übergeben - Panzer, Infanterie-Kampfwagen, gepanzerte Transporter, verschiedene Artillerie, Kampf- und Transportflugzeuge. Wir versorgten sie mit allen Arten von Vorräten, darunter auch Munition. Die Opposition, natürlich, besitzt nichts ähnliches und kann es ich nicht besitzen.

 

Aber können denn unsere Freunde all das, was wir ihnen übergeben haben, effektiv nutzen? Abgesehen von allem anderen ist doch eines der ernsthaften Probleme, daß unsere Berater - von den verschiedensten Behörden - insgesamt eine notwendige und nützliche Arbeit verrichtend - zu oft doch einfach nur die Afghanen in ihren Posten ablösten. 1986 wurde ich mit dem Chefredakteur einer der zentralen afghanischen Zeitungen bekannt. Zur Zeit unseres Treffens leitete er sie bereits über einen langen Zeitraum. Dennoch vermochte er sich den Mechanismus der Herausgabe einer Zeitung nur äußerst abstrakt vorzustellen. Warum? Ja, weil unsere Berater alles an seiner Stelle erledigten. Leider kann man dutzende solcher Beispiele anführen. Hat sich die Lage im militärischen Bereich nicht analog entwickelt?

 

Nach den April-Ereignissen 1978 kamen viele Menschen der verschiedensten Schichten der afghanischen Gesellschaft in den Partei-, Staats- und natürlich auch den Armeeapparat. Einige stellten sich später als unvorbereitet für ihre Posten und ihre neue Bestimmung heraus. Keinerlei elementare Kenntnisse besitzend und die von der DVPA verkündeten Losungen nicht verstehend, verhielten sie sich ihren Verpflichtungen gegenüber sehr gleichmütig, betrachteten sie ihren Posten nur vom Blickpunkt der materiellen Versorgung. Für manchen Berater war es einfacher, selbständig irgend etwas zu tun, als von seinem afghanischen Kollegen die Erfüllung seiner Aufgabe zu erreichen. Es gibt auch einen anderen Grund für eine solche Passivität. Afghanistan - das ist ‘Der stille Don’[8], wo sich die leiblichen Brüder auf verschiedenen Seiten der Barrikade gegenüberstehen. Verwandtschaftliche Intrigen, von denen einige wirklich paradoxen, unvorstellbaren Charakter trugen und tragen, hinterließen unumgänglich ihre Spur in der Arbeit des Partei- und Staatsapparates, in der Tätigkeit der Streitkräfte.

... Mit der Zeit erfaßte damals das Feuer des Bürgerkrieges immer mehr neue und neue Gebiete Afghanistans. Unter den entstandenen Bedingungen war es notwendig, unbedingt eine politische und keine militärische Lösung des afghanischen Problems zu finden. Seit 1985 und vor allem im Jahre 1986 hat uns Moskau ständig darauf hingewiesen. Und wir besprachen dieses Problem. Doch objektive Umstände zwangen uns leider, zur Lösung von Fragen mit militärischen Mitteln zurückzukehren.

 

Es ist bekannt, daß sie einer der Anhänger der Lösung der Afghanistan-Frage gerade auf politischem Wege waren.

 

Es gab genügend solcher Anhänger sowohl unter den sowjetischen als auch den afghanischen Genossen. Woran es mangelte, war etwas anderes - die Kraft, eine solche Linie durchzustehen. Dies,  das ist richtig, forderte mehr Geduld, Druck und Geschicklichkeit. Die militärische Methode - das ist ein primitives Mittel für die Lösung von Fragen in solchen Situationen. Ich erinnere mich an viele Gespräche in Kabul über die Notwendigkeit, den politischen und nicht den militärischen Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang zu geben. Es wurden die verschiedensten Varianten für die Lösung der herangereiften Probleme gründlich analysiert. Doch leider gelang in dieser Richtung längst nicht alles.

 

Unsere Neuorientierung zugunsten einer Aussöhnung und nicht des Krieges vollzog sich nach dem Frühjahr 1985. In dieser Zeit kamen sie, wenn ich mich nicht irre, auf permanenter Grundlage nach Afghanistan ...

 

Ja, so ist es, wenn man einige Ausreisen aus Afghanistan in die Heimat zur Erledigung einiger dienstlicher Fragen nicht mitrechnet. Ich denke, es ist von Interesse, folgende Gesetzmäßigkeit anzumerken. Für die Zeit meines Aufenthaltes in Afghanistan vollzog sich ein wiederholter Wechsel der Leiter der Vertretungen unserer verschiedenen Behörden in Kabul. Und jeder neu Ernannte begann seine Tätigkeit ungefähr mit ein und demselben Satz: ‘Lassen sie uns gemeinsam mit den Afghanen umfangreiche Kampfhandlungen gegen die Banden vorbereiten und durchführen und die Menschen werden schließlich in Ruhe zu leben beginnen!’ Jedoch ist die Sache die, die überwältigende Mehrheit - das sind keine Banden, sondern die lokale männliche Bevölkerung, die sich mit der Waffe in der Hand für ihre Stammesinteressen einsetzt.

Man kann jetzt viele Gebiete aufzählen, deren Einwohner, wenn sie auch die Zentralregierung nicht unterstützen, doch gleichzeitig keine Truppen der Opposition auf ihrem Territorium dulden. Sie sind es gewohnt, selbständig zu leben und sich niemandem unterzuordnen. Es ist natürlich, daß sie sich gegen jene wenden, die mit Waffen zu ihnen kommen und mit Gewalt ihre Macht errichten. Wir nun, die wir die Führung von Afghanistan unterstützen, gingen in den ersten Jahren des Krieges davon aus, daß man zur Ausbreitung der Volksmacht in dem einen oder anderen Kreis einen Organisationskern[9] ‘pflanzen’ müsse. Doch freiwillig ließen die Bewohner eine solche Macht nicht zu sich in den Kischlak. Deshalb setzte man Truppen, Waffen ein: dort, wo es Widerstand gab, wurde Gewalt angewendet. Zum Schutz des Organisationskernes der ‘Volks’macht stationierte man in dem Kreis eine Militäreinheit. Und einzelne Genossen beeilten sich zu berichten, daß ‘noch ein Gebiet von den Duschmanen befreit’ sei. Ist das absurd? Natürlich! Doch es kostete geraume Zeit, die afghanischen Freunde zu überzeugen: solche Handlungen bringen nur Schaden und begünstigen die Feinde der Revolution.

 

Hat sich den unsere militärische Taktik in Afghanistan nach der Verkündung der Politik der nationalen Aussöhnung dort verändert?

 

Sie änderte sich, wenn auch, das ist richtig, nicht sofort. Doch auch nach ihrer prinzipiellen Veränderung mußten wir unsere afghanischen Freunde von immer neuen und neuen Kampfhandlungen zurückhalten. Dies Volk - es ist ein orientalisches, heiß(blütig)es. Wir versuchten, mit allen Kräften der Führung des Landes zu helfen, Staatsmacht und Opposition in den Orten[10] einander näher zu bringen. In einer Reihe von Gebieten ist uns das gelungen, zum Beispiel in Herat. Und nicht nur dort. Insgesamt sind der Westen und Südwesten des Landes jetzt relativ ruhige Provinzen, obwohl es früher dort sehr schwer war.

 

Warum ist es im Westen und Südwesten gelungen, in den östlichen Gebieten aber nicht?

 

Vor allem wegen der unversöhnlichen Linie der Peshawarer ‘Sieben’. Doch es gab auch andere Gründe. Im Westen hatten wir Glück mit den Gouverneuren. In Herat wirkt Gouverneur[11] Khalikyar. Das ist ein sehr gebildeter, mutiger, kluger, weitsichtiger Mann. Er ist nicht in der Partei. Er stammt selbst aus einem lokalen Stamm. Ihm gelang es, viele bewaffnete Gruppen für sich zu gewinnen, sie auf die Seite der Staatsmacht zu ziehen. Und wie raffiniert auch beispielsweise Turan Ismail - Führer der lokalen Opposition - vorging, es gelang ihm nicht, militärische Auseinandersetzungen zu provozieren. Dasselbe kann ich auch über die Provinz Hilmend sagen. Der dortige Gouverneur Schahnazar ist ein ehemaliger Führer einer bewaffneten Oppositionsgruppe, die auf die Seite der Staatsmacht übergegangen ist. Zwischen ihm und mir entwickelten sich nicht nur sachliche, sondern auch freundschaftliche Beziehungen. Sicher ist er kein Mensch ohne Laster. Aber, und das ist das wichtige, er verfolgt eine wahrhafte Linie zur Feuereinstellung in der Provinz. Deshalb kann und muß man mit ihm arbeiten. Jetzt wendet sich vieles in Afghanistan zum Nachteil der Menschen, die, ließen sie sich nicht von persönlichen Ambitionen und Kränkungen leiten, sondern von den Ideen des Friedens, um sich die einander gegenüberstehenden Seiten vereinigen könnten.

Bei der Verkündung der Politik der nationalen Aussöhnung hatten die afghanischen Genossen ein solches Ziel vor Augen - die Schaffung einer Koalitionsregierung auf breiter Grundlage, die das Feuer des Krieges löschen könnte. Natürlich unterstützen wir in jeder Hinsicht einen derartigen Kurs, es gibt zu ihm keine Alternative. Sicher, mancher fordert eine Vereinbarung über eine Koalitionsregierung ohne Teilnahme der DVPA. Doch schon das Stellen einer solchen Frage klingt nicht kompetent - das ist eine innerafghanische Frage und es wäre unethisch, sich in diesem Bereich einzumischen. Wenn man annimmt, daß die Situation sich entsprechend dem genannten Schema weiter entwickelt, so muß man sich selbst eingestehen: dies ist kein Ausweg aus der Lage, weil in einem solchen Falle der Bürgerkrieg nicht enden wird, die kämpfenden Seiten werden nur ihre Plätze tauschen. Weniger noch, das Land wird ins Chaos gestürzt.

Ob einem die DVPA paßt oder nicht - das ist eine andere Frage. Doch die DVPA ist Realität. Dies ist eine Partei, die seit mehr als zehn Jahren an der Macht ist, den Staat leitet, alle notwendigen Strukturen besitzt, darunter Streitkräfte, und die außenpolitische Tätigkeit gewährleistet.

 

Warum kam es dennoch dazu, daß wir Karmal vertrauten und es zuließen, uns in einen langen Krieg hineinziehen zulassen?

 

Es gibt viele Gründe. Doch der wichtigste ist sicher der, daß es in der DVPA und ihrem Zentrum keine andere Auswahl gab. Und unsere Genossen, die damals in Kabul arbeiteten, unterstützten dies umfangreich.

 

Scheint es ihnen denn nicht so zu sein, Valentin Ivanovitsch, daß unsere Angestellten[12], in deren Verantwortungsbereich es lag, Moskau über den Stand der Dinge in diesem oder jenem Land, einschließlich Afghanistan zu informieren,  zu oft nur jene Information übermittelten, die in der Hauptstadt Gefallen finden konnte? Um die Leitung nicht zu erzürnen und sich selbst nicht ihrem Zorn auszusetzen. Ich meine nicht nur das Jahr 1979, sondern auch die erste Hälfte der 80er Jahre.

 

Ich werde nicht daran gehen, den Grad der Vorbereitung der entsprechenden Arbeiter jener Zeit zu bewerten - das sollen kompetente Personen machen - doch was die Weitergabe ‘angenehmer’ für Moskau Information betrifft, so ist es unbestritten, daß es so etwas gab und das nicht nur unter, nun sagen wir, den Diplomaten. Leider war dies eine allgemeine Krankheit zu Zeiten der Stagnation - an das Zentrum nur das zu berichten, was gefallen konnte, doch nicht das, was tatsächlich vor sich ging. An diesen ‘Hinzuschreibungen’ bei uns krankte nicht allein nur die Wirtschaft. Jetzt hat sich die Situation sehr gewandelt. Das Arbeiten wurde leichter, freier und natürlich ruhiger - du weißt, daß es wirklich reale Information in den zentralen Organen gibt und nicht die Halbwahrheit.

Die frühere Praxis hat dem Land gigantischen Schaden zugefügt: die Führung erhielt bisweilen eine Information, die mit der tatsächlichen Lage der Dinge nicht übereinstimmte. Im Ergebnis konnten in Moskau nicht die besten Entscheidungen gefällt werden. Viele Probleme entstanden infolge unseres Dogmatismus, unserer Unfähigkeit und Schwerfälligkeit. Aus diesem Grunde wurden beispielsweise keine Entscheidungen über Autonomien[13] innerhalb des Rahmens eines einheitlichen Afghanistans getroffen, man fürchtete, daß Afghanistan auseinanderbricht. Dabei hätten Autonomien die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Zentralmacht und einer Reihe von Provinzchefs deutlich abschwächen können. Es ist gleichzeitig offensichtlich, daß, hätten wir uns früher auf einen offenen Dialog mit den Führern der bewaffneten Opposition eingelassen - sowohl innerhalb Afghanistan als auch außerhalb seiner Grenzen -, hätte er bessere Resultate ergeben können, wenn auch bis heute in diesem Bereich nicht wenig unternommen wurde. Insgesamt hat sich in der letzten Zeit sowohl unsere Form der Arbeit grundlegend verändert, als auch unsere Methodik. Alles ist maximal an die Realität, die Wahrheit angenähert.

 

Einige Beobachter meinen, daß wir in Genf bei der Unterzeichnung der bekannten Dokumente betreffend die Regulierung des afghanischen Problems unsere Bedingungen hätten mutiger erklären und vertreten sollen. Doch es kam so, daß die Vereinbarungen einseitig erfüllt worden sind.

 

Bekanntermaßen dauerten die Verhandlungen in Genf zu dieser Frage mehrere Jahre. Und alles war umsonst. Die Grundaufgabe bestand darin, die Gegner irgendwie einer friedlichen Lösung des afghanischen Problems ‘aufzurütteln’ und sie mit beliebigen Mitteln in den Prozeß der Unterzeichnung der Dokumente einzubeziehen. Unsere Genossen, die die Verhandlungen in Genf führten, fürchteten völlig zu Recht, daß die Aufstellung sehr strenger Bedingungen erneut alles in die Sackgasse treiben könnte.

 

Aber kann es sein, daß wir dennoch von allen Teilnehmern die Beachtung des ‘Prinzips der Spiegelgleichheit’[14] [gemeint ist: Prinzip der Reziprozität] hätten erzwingen müssen?

 

Darüber haben wir nachgedacht. Um so mehr, als daß die Verwirklichung diese Prinzips, wenn es denn die anderen Seiten unterstützt hätten, von allen Positionen her sehr einfach gewesen wäre. Historisch entwickelte es sich so, daß sich auf dem Territorium Afghanistans zur Zeit des Beginns unseres Abzuges 183 sowjetische Militärsiedlungen und -objekte in Funktion befanden. Die Opposition verfügte auf dem Territorium Pakistans über 181 militärische Objekte (Basen, Stäbe, Schulungszentren u.s.w.), also besaßen, grob gesagt, beide Seiten die gleiche Anzahl von Objekten. Unter diesen Umständen hätten die Kontrollorgane der UNO nach folgendem Schema handeln können: wenn ein sowjetischer Truppenteil oder eine Abteilung Afghanistan verläßt, wird nach einiger Zeit ein beliebiges Objekt der Opposition auf dem Gebiet Pakistan liquidiert. Wir verpflichteten uns, bis zum 15. Februar 1989 alle unsere Einheiten und Abteilungen abzuziehen und haben unsere Verpflichtungen vollständig erfüllt. Pakistan war verpflichtet, alle militärischen Objekte der afghanischen bewaffneten Opposition auf seinem Gebiet aufzulösen. Doch es hat nicht nur dies nicht getan, es hat sogar den Kontrollorganen der UNO den Zutritt dorthin verweigert. Somit ist die Weltöffentlichkeit berechtigt, die weitere Erfüllung der Genfer Verträge zu fordern. Eine Reziprozität des Handelns ist nicht zustande gekommen, lassen sie uns in diesem Fall auf folgendem bestehen: die sowjetischen Truppen sind abgezogen, das heißt die UdSSR und Afghanistan erfüllten ihre Verpflichtungen, jetzt sind Pakistan und die USA am Zug mit der Antwort.

Ich möchte noch ein wichtiges Detail anmerken: in der Zeit der Umsetzung der Politik der nationalen Aussöhnung (an diesem Prozeß beteiligten sich auch die sowjetischen Truppen) gelang es in einer Reihe von Gebieten, ein besseres Verhältnis seitens des afghanischen Volkes uns gegenüber zu erreichen. In der letzten Zeit verkehrten sowjetische Offiziere und Soldaten in solchen Gegenden frei und ohne Furcht nicht nur mit der lokalen Bevölkerung, sondern auch mit jenen, die unsere Presse früher ‘Duschmanen’ (also Banditen) genannt hatte.

 

Als Leiter der Operativen Gruppe des Ministeriums für Verteidigung der UdSSR in Afghanistan haben sie sich praktisch mit der Entscheidung aller Fragen - politischer, wirtschaftlicher, militärischer und anderer - befaßt. Welchem Problembereich widmeten sie am meisten Zeit und Aufmerksamkeit?

 

Alles hing von der konkreten Situation in dieser oder jener Periode ab. Doch ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß im Verlauf der letzten zwei Jahre die Operative Gruppe ihre Hauptanstrengungen darauf konzentrierte, den Afghanen bei der Realisierung der Politik der nationalen Aussöhnung Hilfe zu leisten. Natürlich wurde den Problemen der militärischen Ausbildung der afghanischen Streitkräfte, der Entwicklung der Armee große Aufmerksamkeit geschenkt. Was die wirtschaftlichen und politischen Probleme betrifft, so wurden diese in einer Einheit mit den militärischen Fragen entschieden, und dies hat seine befriedigenden Ergebnisse erbracht. Doch insgesamt war die Tätigkeit der Operativen Gruppe politischen Zielen untergeordnet, der Friedensstiftung.

 

Valentin Ivanovitsch, welche Jahre des Krieges waren mehr als andere angefüllt mit Kampfhandlungen?

 

Den Gipfelpunkt der Kämpfe in Afghanistan ist in der Jahreswende 1984 - 1985 zu sehen. Dann begann die Neuorientierung hin zu einer politischen Lösung des Problems.

 

Warum ist dies nicht eher geschenhen?

 

Diese Frage kann man nicht losgelöst von den Veränderungen analysieren, welche in unserem Land beginnend mit dem April-Plenum des ZK der KPdSU 1985 stattfanden. Die ausweglose Situation in Afghanistan beurteilend, hat Michail Sergejevitsch Gorbatschov sofort nach seiner Wahl zum Generalsekretär einen neuen Herangang an das Problem bestimmt, dabei sich für das Suchen einer politischen, nicht militärischen Lösung der Frage aussprechend. Außerdem stellte Michail Sergejevitsch die Aufgabe, die Menschen maximal zu schonen und die Verluste zu senken. Dies wurde zum Programm unserer Aktivitäten. Wir überprüften unsere Taktik in Afghanistan und betrachteten unsere Handlungsmöglichkeiten auf eine neue Art und Weise.

Der Verlauf der Kampfhandlungen bezeugte - der kriegerische Weg der Problemlösung war perspektivlos. Zu einer bestimmten Zeit vertsanden das alle. Jedoch ist die afghanische Führung bis heute gezwungen, zu militärischen Maßnahmen zu greifen.

Wenn man über die politischen Maßnahmen spricht, könnte man das Beispiel den Schutz der Staatsgrenze nennen. Die Durand-Linie, so heißt die grenze zwischen Pakistan und Afghanistan, verläuft durch das Siedlungsgebiet der freien paschtunischen Stämme. Obwohl die Stämme sich auf den verschieden Seiten der Grenze befinden, sind sie doch durch Traditionen, Geschichte, stammesverwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbunden. Deshalb ist es unmöglich, sich an dieser nur unter bestimmten Bedingungen wirksamen Grenze nur auf den Dienst von Grenzsoldaten zu beschränken. Es ist wichtig, daß die Paschtunen ihren eigenen Grentabschnitt selbst sichern. Genau so ist es übrigens unter dem König gewesen. Doch ist dafür eine umfangreiche Arbeit mit den Stämmen erforderlich. Es gibt solche Bemühungen, aber bisher noch nicht überall mit dem gewünschten Resultat.

 

Wir  haben die Truppen in drei Hauptetappen abgezogen: Herbst 1986, Sommer 1988 und Januar - Februar 1989. Welche war die schwerste?

 

Tatsächlich, der Truppenabzug war in drei Hauptphasen unterteilt: die erste, vor den Genfer Verträgen und die beiden anderen auf Grund der Vereinbarungen. Der Herbstabzug ‘86 stellte sich als etwas ganz Neues dar. Entsprechend einem Beschluß unserer Regierung zogen wir sechs Kampfeinheiten ab. Im Verlauf der Vorbereitung dieser wichtigen Maßnahme folgte die Aufklärung auch den Aktivitäten der Opposition. Auf Forderung der ‘Allianz der Sieben’ bereitete sich der extremistische Teil der Aufständigen darauf vor, uns ein ‘Blutbad’ zu bereiten. Natürlich waren wir gezwungen, Gegenschritte zu unternehmen: den Abzugtermin der Truppen zwei Wochen im voraus verkündend, begannen wir den Truppenabzug offen vorzubereiten. Gleichzeitig beobachteten wir verstärkt die Abteilungen der Opposition. Wie angenommen rüsteten sie zum Kampf, konzentrierten sie sich in großer Zahl um die Verbindungsstraßen. Daher waren wir und die afghanischen Streitkräfte gezwungen, Schläge der Artillerie und der Luftwaffe auf sie zu richten und den Abzugszeitraum zu ‘verschieben’. Nach zehn Tagen ergriffen wir noch einmal dieselben Maßnahmen, jedoch in stärkerer Form, weil die Opposition daraus für sich keine Schlüsse gezogen hatte. Diese Mal fügten wir ihnen ausschließlich [außergewöhnlich] große Verluste zu (es wurde auch eine bedeutende Anzahl Militärberater ausländischer Staaten liquidiert, die unserer Meinung nach die Hauptorganistaoren dieser Aktionen waren).

Wir verkündeten eine letzte Warnung, ‘gegen die Jäger Krieg zu führen’, daß im Falle der Feuereröffnung durch sie alle uns zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel gegen sie eingesetzt würden, wobei diese Fragen in der Presse, in Radio und Fernsehen breit kommentiert wurden. Die schwere Bilanz und die strenge Warnung wirkten offensichtlich, deshalb wurden die ersten sechs Regimenter 1986 ohne jede Kratzwunde abgezogen.

Ich denke, die Erfahrung von 1986 war der Opposition eine gute Lehre und in der Folge verlief der Abzug sowjetischer Truppen im Sommer 1988 sowie im Januar - Februar 1989 sehr planmäßig, korrekt und ohne personelle und technische Verluste.

 

Welche Kampfhandlungen haben sich ihnen am nachhaltigsten eingeprägt und warum?

 

Wenn sie den rein militärischen Bereich meinen, würde ich auf ihre Frage folgendes antworten: 1985 die Operation in Kunar. Kämpfe wurde im gesamten Ausdehnungsbereich des Kunar-Tales geführt, von Dshalalabd bis Barikot. Auf insgesamt 170 km [Länge]. Es wurden auch Bergausläufer im Gebiet des Petschdar-Tales berührt. Beide Täler sind sehr schwierig und erinnern an Pandshir. Während der Kämpfe wurden mehr als 11 000 Mann von Hubschraubern abgesetzt. Dabei verloren wir nicht einen Hubschrauber, obwohl schon damals die Aufständischen begannen, amerikanische ‘Stinger’- und englische ‘Blowpipe’-Raketen einzusetzen.

Das Jahr 1986 prägte sich durch Kämpfe in der Provinz Paktia, auf der Höhe von Paratschinar und besonders im Gebiet Khost - die Zerstörung der Aufständischen-Basis Dshavara - ein. An dieser Basis wurde mehr als zehn Jahre nach allen Regeln der Festungsbaukunst gebaut. Der Stützpunkt befand sich in einem Bergmassiv nahe der Staatsgrenze und galt als uneinnehmbar. Dshavara war faktisch die Verkörperung der Macht aller Oppositionskräfte im Südosten. Doch keine Bemühung, darunter der Einsatz moderner westlicher Fliegerabwehr-Raketen-Systeme, konnte die Aufständischen retten.

Im selben Jahr 1986 verlief eine erfolgreiche sowjetisch-afghanische Operation westlich von Herat, einschließlich des Arsenalstützpunktes Kakari-Schaschari, der an der Grenze zum Iran liegt. Nach der Zerschlagung der Hauptkräfte der Opposition begann in dieser Region ein Prozeß des massenhaften Überlaufens aufständischer Truppen auf die Seite der Staatsmacht.

Für das Jahr 1987 - das Jahr der Verkündung der Politik der nationalen Aussöhnung - waren vor allem die Kämpfe im gespanntesten[15] Gebiet Afghanistans, der Provinz Kandahar kennzeichnend. Die Lage war so, daß die Aufständischen die Initiative hier sicher in den Händen hielten und die gesamte Bevölkerung terrorisierten. Die Außerordentliche Kommission für Aussöhnung in der Provinz (solche Kommissionen wurden im ganzen Land geschaffen) wurde dreimal liquidiert. Die Schulen wurden geschlossen. Läden und staatliche Einrichtungen arbeiteten nur mit Genehmigung der Aufständischen. Mit einem Wort, von April bis September 1987 wurde eine gemeinsame Operation zur Liquidierung der Bandenformationen der unversöhnlichen Opposition in Kandahar selbst und den es umgebenden Kreisen Argandab, Pandshvai und Daman durchgeführt. Die Bedingungen waren kompliziert: ein starker Gegner, Lufttemperaturen bis zu 50 Grad und mehr, schwieriges Gelände. Doch wir überwanden die Aufständischen. Unsere Einheiten blockierten die Gebiete, und die afghanischen Abteilungen drangen ein und ‘säuberten’ mit Unterstützung sowjetischer Feuerwaffen die entsprechenden Bereiche. Seitdem sind eineinhalb Jahre vergangen, und die Volksmacht hält sich auch heute noch überzeugend.

Zur Jahreswende 1987 - 1988 war die Operation „Magistrale“ sehr wichtig: damals gelang es, durch gemeinsames Handeln sowjetischer und afghanischer Truppen die strategische Straße von Gardez nach Khost zu öffnen und zu sichern und in die Stadt [Khost] alles, was benötigt wurde, zu bringen.“

 

Übersetzung: Ralph Kühn

 



[1] [Geboren 1923 in Krasnodar. Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg (u.a. Stalingrader Front, Einnahme Warschaus und Berlins, mehrfach verwundet), 1971 bis 1973 erster Stellvertreter des Oberkommandierenden der Gruppe sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, seit August 1979 im Generalstab der sowjetischen Streitkräfte.

[2] Ogarkov, N. V. - Marschall der Sowjetunion, damals Chef des Generalstabs der sowjetischen Streitkräfte - Fußnote im Originaltext

[3] Achromejev, S. F. - Marschall der Sowjetunion, damals erster Stellvertreter des Generalstabschefs - Fußnote im Originaltext

[4] [Ustinov, Dmitrij F. (1908 - 1984): seit 1976 sowohl Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU, Verteidigungsminister als auch schließlich Marschall der Sowjetunion. - Anmerkung R.K.]

[5] [Wörtlich: Krängung, Schlagseite eines Schiffes, Schieflage, Neigung - Russ.: „kren“]

[6] [Russ.: „Period zastoja“; mit diesem Begriff wurde zu Zeiten von Perestroika und Glaznost in der Regel die Zeit Mitte/Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre vor Wahl der M. S. Gorbatschovs zum Generalsekretär der KPdSU und der Verkündung der Reformvorhaben bezeichnet. - Anmerkung R.K.]

[7] [Wörtlich: „konnte sich nicht  ... nicht widerspiegeln.“]

[8] [„Der stille Don“: Roman von Michail A. Scholochov (1905 - 1984), erschien zwischen 1928 und 1940 in vier Teilen (überarbeitet 1953). In ihm werden Leben und Schicksal der Don-Kosaken vor, während und nach der Revolution 1917 sowie dem Bürgerkrieg in Sowjetrußland dargestellt. - R.K.]

[9] [Russ.: „orgjadro“ - Fett gedruckt im Originaltext]

[10] [Regionen]

[11] [Im Originaltext „gubernatorstvuet“]

[12] [Wörtl.: „Arbeiter“]

[13] [Pluralform im Originaltext]

[14] [Russ.: „zerkal’nost’“]

[15] [Russ.: „v samom ostrom regione ...“]

 

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